Essstörungen


Wie fängt alles an?

Essstörungen nehmen zu und das nicht erst seit Corona.

 

Laut einer Studie der Uni Halle werden die Betroffenen immer jünger: Mehr als sechs Prozent der 15/16-jährigen Jugendlichen zeigten bulimische Verhaltensmuster. Jeder siebte Jugendliche sei magersuchtgefährdet - egal welches Geschlecht. 

 

In den ersten beiden Coronajahren sind die Zahlen an Kinder und Jugendlichen, die von einer Depression, einer Essstörung oder einer anderen psychosomatischen Erkrankung betroffen sind, in die Höhe geschnellt. Die BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung), die Ärztezeitung und das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung haben dazu diverse Artikel veröffentlicht. Wahrscheinlich werden die Zahlen noch weiter steigen.

 

Essstörungen schleichen sich ins Leben der Betroffenen und der Familien. Ein Prozess, der lange andauert. In der Regel holen sich Familien acht Monate nach Einzug der Essstörung Hilfe und Untersützung. Oftmals verstehen sie erst im Gespräch, wie ernst die Lage ist und dass die Essstörung nicht einfach so wieder verschwindet und sich für immer verabschiedet.

 

Wie fängt`s denn jetzt an?

Nach wie vor häufig mit der Idee, zu diäten. Diäten stehen auf Platz 1 der Faktoren für die Auslöser eines essgestörten Essverhaltens oder einer Essstörung.

Die Chance durch eine Diät ein gestörtes Essververhalten zu entwickeln und in eine Essstörung zu rutschen ist sehr hoch. Also, bitte mit keiner, wirklich keiner Diät - aus welchen Gründen auch immer - starten. Jeder Mensch ist ok so wie er ist. Und der Wert eines Menschen hängt nicht vom Gewicht ab.

Und dennoch sind Diäten beliebt. Viele fühlen sich zu dick. Dabei spielt die Zahl auf der Waage keine Rolle. Und der Schönheits- und Schlankheitswahn ist nicht nur Kern der Essstörungen. Menschen mit einer Essstörung (egal in welchem Alter) schaffen sich mit ihrer Essstörung einen Raum, in dem sie nach ihren eigenen "Gesetzen" leben können. Sie grenzen sich ab, schaffen sich einen persönlichen Schutzraum für die Selbstbestimmung. Das, was ohne die Unterstützung der Essstörung nicht möglich ist, wird möglich.

 

Einer Essstörung liegen mehrere Faktoren zu Grunde. Also, eine Diät allein reicht nicht immer aus, um sich besser zu fühlen.

 

Auslöser/Faktoren einer Essstörung können sein:

  • ungelöste Konflikte in der Familie, in der Elternbeziehung
  • Umzug in eine andere Stadt (als Familie, zum Studium, Auslandsaufenthalt)
  • Verlassen der Heimat,
  • Tod eines nahen Angehörigen
  • Pubertät und andere Umbruchsituationen
  • Trennung/Scheidung der Eltern
  • Mobbing
  • Ausgrenzung
  • seelischer Stress und Trauma
  • Überforderungs- und Überlastungssituationen
  • Erleben von Ausnahmesituationen/Krisen wie Krieg, Pandemie u. ä.
  • ...

Mögliche Anzeichen einer Essstörung können sein: 

  • Angst vor Gewichtzunahme
  • Kontrolle des Körpergewichts durch die Waage oder messen des Umfangs von z. B. Handgelenken
  • Gedankenkreisen rund ums Essen: wann esse ich was mit wieviel Kalorien und was muss ich tun, um diese Kalorien wieder abzubauen; was ist gesund und was ungesund
  • Backen und Kochen wird zum Hobby - die Familie und Freunde werden bekocht und selbst wird (so gut wie) nichts gegessen
  • extreme sportliche Betätigung (mit Steigerung)
  • Diäten und Diätversuche
  • starker Gewichtsveränderung in kurzer Zeit
  • Einnahme von Abführmitteln
  • Heimlich Essen (Essen verschwindet)
  • Rückzug von Freunden: meistens haben Verabredungen etwas mit Essen zu tun und diese Situationen werden weitestgehend gemieden
  • unkontrollierbarer Esszwang, Esssucht
  • Gedankenkreisen um die nächste (rettende) Mahlzeit, die Erleicherung verschaffen soll

Ansprechen oder lieber doch nicht?

 

Ignorieren hilft nicht wirklich...

...genauso wenig hilft es, denjenigen zum Essen zu zwingen oder das Essverhalten zu kontrollieren, zu meckern, Essverhalten zu kommentieren und und und.

Eigentlich wissen wir das und dennoch können wir nicht anders und klammern uns an diesen Strohhalm. "Wenn sie/er einfach wieder isst, ist doch alles wieder gut..." Ein verständlicher Wunsche. Die Angst um das Kind, die Freundin, den Partner, die Mutter... wird immer größer, die Verzweiflung wächst und gefühlt "nistet" sich die Essstörung immer tiefer in die Familie ein. Man könnte meinen: je mehr man tut (hilft), desto präsenter die Essstörung.

 

 

Wenn du den Verdacht hast, dass dein eigenes Kind, eine Freundin oder dein Partner eine Essproblematik, ein essgestörtes Verhalten zeigt oder eine Essstörung auslebt, dann sprich sie darauf an. Einfühlsam und wertschätzend. Sprich von deinen Beobachtungen, deinen Wahrnehmungen und deinen Gefühlen. Übernimm`Verantwortung für dich und mache den Betroffenen nicht für dein Wohlbefinden verantwortlich. Wenn du dir nicht sicher bist, dann hole dir Unterstützung in einer Beratungsstelle oder bei einem kompetenten Fachmenschen. Frage in einer Selbsthilfegruppe nach. Oder recherchiere auf seriösen Seiten im Internet.

Bitte nimm die Erkrankung und die betroffene Person ernst. Mit einer Essstörung ist nicht zu spaßen. je länger gewartet wird, desto mehr manifestiert sie sich. Eine Essstörung geht nicht einfach wieder. Gut gemeinte Ratschläge sind häufig ein verzweifelter Versuch, Unwissen oder von Angst geprägt. In dieser Thematik ist Angst kein ganz so guter Begleiter.

Wir von Esslust verstehen darunter z. B.: "du musst nur etwas mehr essen" oder "das gibt sich wieder" oder "komm, wir machen zusammen eine Diät. Ich habe auch zu viele Kilos auf den Hüften" oder "in deinem Alter war ich auch pummelig" oder...

 

Ursachen für Essstörungen

Einige Ursachen sind weiter oben aufgeführt. Menschen scheinen sich gerne und intensiv mit dem Essen und mit Ernährung auseinanderzusetzen. Dauernd gibt es neue Studien, die uns erzählen, was gesunde und ungesunde Lebensmittel sind, in welcher Reihenfolge gegessen werden soll, Intervallfasten, Apfelessig als Allheilmittel, Proteine in überteuerten Lebensmitteln, Influencer und Fitfluencer… Jede Woche wird eine neue „Sau durchs Dorf getrieben“. Mehrgewicht, Untergewicht, Essstörungen wie Binge Eating, Bulimie, Anorexie, Adipositas sind alles Symptome und nicht die Ursache. Sinnvoll ist es, die Ursache für ein gestörtes Essverhalten oder eine Essstörung herausfinden und damit zu arbeiten.

 


Und jetzt?

Professionelle Hilfe holen! 

 

Besuch beim Hausarzt/bei der Hausärztin

(bitte lass dich nicht von MedizinerInnen abschrecken, die keine Ahnung von der Thematik haben. Das ist schade und passiert leider allzu oft. Es gibt ExpertInnen auf dem Gebiet und auch sonst sehr mitfühlende und hilfebereite MedizinerInnen, die dich und deine Problematik ernst nehmen)

Beratungsstelle

ambulante Therapie

Klinik (stationär und teilstationär)

Familienberatung

Ernährungsberatung 

angeleitete Selbsthilfegruppe